Liebe Premium-Markenhersteller,
die digitale Transformation hat den Premium-Markenvertrieb erreicht. Mithin lautet die Frage nicht ‚ob‘, sondern nur ‚wie schnell‘ und ‚wie konsequent‘ sich ein Premium-Markenhersteller darauf einstellt.
Die Art und Weise, wie Endverwender Premium-Markenprodukte finden und beziehen hat sich in den letzten drei Jahren mehr verändert, als in den fünfzig Jahren davor. Trotzdem vermarkten fast alle Premium-Markenhersteller ihre Sortimente heute noch mit Methoden aus dem letzten Jahrhundert. Dabei kann es sich kein Hersteller mehr leisten, weiterhin die fundamentalen Änderungen des Informations-, Auswahl-, Beschaffungs- und Empfehlungsverhaltens seiner Endverwender zu ignorieren. Das gilt gleichermaßen für deren Erwartungen und Anforderungen an Pre- und Aftersales-Services.
Die Digitalisierung offensiv gestalten!
Genau aus diesen Gründen gestalten erfolgreiche Premium-Markenhersteller die Digitalisierung ihres Markenvertriebs offensiv und selbstbestimmt. Zukunftsfähige Vertriebsmodelle und kartellrechtskonforme Werkzeuge dazu stehen Markenvertrieben schon heute zur Verfügung. Beides erfordert jedoch vom Hersteller die Bereitschaft zu einer tiefgreifenden Reorganisation seines Vertriebs- und Konditionsmodells.
Hier geht es beispielsweise um das neue Zusammenspiel von Marketing, Produktentwicklung, Vertrieb und Aftersales. Vertriebswege, Sortimente und Kundenstrukturen müssen angepasst und das Verhältnis Hersteller zum (stationären) Fachhandel neu austariert werden.
Basis dafür ist das genaue Verständnis des veränderten Endkundenverhaltens und der damit verbundenen Abläufe sowie deren funktionale, strukturelle und technische Neuinterpretation. Zwingend ist die professionelle und vom Hersteller vorangetriebene Online-Vermarktung mit Produktinformation, Warenpräsentation, Demo- und Schulungsvideos sowie ernstzunehmendem Online-(Direkt-)Vertrieb. Übrigens nicht nur in Richtung Endkunden, sondern auch und besonders in Richtung der Handelspartner.
Juristisch auf den Tisch hauen!
Wenn es um die Definition der (kartell-) rechtlichen Rahmenbedingungen für die digitale Transformation geht, müssen Premium-Markenhersteller sich ebenfalls offensiv einbringen. Das gilt für den derzeit verhandelten Referentenentwurf der 9. Novelle des GWB ebenso wie bei der Beurteilung der Auswirkungen der Internetökonomie auf den Handel.
Bisher wird das Feld mehr oder weniger kampflos laut klappernden Online-Protagonisten überlassen. Von der kartellrechtlichen Experten-Diskussion ist eine stärkere Orientierung an der vertrieblichen Realität einzufordern. Auf den Schutz des Wettbewerbs soll man sich dort beschränken, anstatt sich als verkappte Verbraucherschützer zu versuchen. Kartellwächter sind keine Preiskontrollstellen, sondern haben auch qualitätsorientierten selektiven Vermarktungskonzepten Chancen auf faire Gewinne zu eröffnen. Zudem muss für einen mittelständischen Hersteller der Betrieb eines selektiven Vertriebssystems kosten- und haftungsseitig überschaubar bleiben.
An der Praxis orientierte Lösungen einfordern!
Aufhören müssen die Spiegelgefechte zu der Frage, ob Preissuchmaschinen nun qualitativ reglementierbare Drittplattformen sind oder nicht. Es ist vielmehr zu klären, wann sich der kartellrechtlich gewünschte Preiswettbewerb in einen kartellrechtlich unerwünschten Preisverfall wandelt. Wie viel Preisdruck eine Premium-Marke also hinzunehmen hat.
Das Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb eines Markeninhabers ist zu schützen. Ein Markenhersteller darf nicht gezwungen werden, Online-Vertriebsformate oder Online-Verkaufsstellen unterstützen zu müssen, die seine Markenstellung existentiell bedrohen (können). Solange Markenherstellern – anders als beispielsweise in den USA – legale Möglichkeiten zur Festlegung von Mindestverkaufspreisen verwehrt sind, können Online-Händler über ihre Händlerpreisgestaltung sowohl die Vertriebssteuerung, als auch die Markenpositionierung eines Markenherstellers gezielt und flächendeckend torpedieren.
Ein sogenannter Hybridhändler ist wie ein reiner Onlinehändler zu behandeln, wenn er nur als Feigenblatt ein stationäres Ladenlokal betreibt, tatsächlich aber den Löwenanteil Online umsetzt. Entweder muss der Hersteller dann frei in der Zuweisung seiner Sortimente an bestimmte Absatzmittler sein und/oder er muss Quasi-Online-Pureplayer auf spezielle Online-Sortimente verweisen dürfen.
Online-Suchformate dürfen Premium-Markenherstellern nicht weiter ‚de facto‘ verwehrt werden, indem Kartellbehörden PREIS-SUCHmaschinen protegieren und aufgrund fehlenden Wettbewerbs zementieren. Erforderlich ist ein echtes Wahlrecht der Markenhersteller, um auch die Tür für QUALITÄTS-FINDmaschinen aufzustoßen.
Fazit: Premium-Markenhersteller müssen in einem sich digitalisierenden Vermarktungsumfeld das Heft des Handelns wieder mit kartellrechtskonformen Modellen und Werkzeugen in die Hand nehmen. Sonst werden sie von mächtigen Online-Oligarchen durch den Markt gescheucht.