Von: Prof. Dr. Peter M. Rose, Hochschule Bremen

Damit man nicht in die „Erfolgsfalle“ gerät, sollte man regelmäßig eine Bestandsaufnahme vornehmen.

Die Chefs der unbekannten Starunternehmen (die „Hidden Champions“) zeichnen sich nach Hermann Simon (Mitbegründer der Unternehmensberatung Simon – Kucher & Partners und Autor des 1996 erschienenen Bestsellers „Die heimlichen Gewinner“) durch eine enorme Zielstrebigkeit aus und verfolgen mit Kontinuität und Beharrlichkeit ihre Vision. Manchmal dauert es lange bis sich die Vision realisieren lässt. Es gibt Geschichten mit Happy End.

So fand jahrelang ein innovatives Getränk namens Bionade nicht den Weg zum Verbraucher, bis die Bestellungen plötzlich kräftig zunahmen. Der Grund war, dass ungarische Etiketten nach einem geplatzten Auftrag aus Versehen in Hamburg auftauchten und dort Werbern in die Hände fielen. Unterstützt von einem großen Getränkehändler avancierte die Naturlimo quasi ohne Zutun zum Szenegetränk (Quelle: Manager-Magazin Heft 10/2003, Online-Ausgabe). Es folgte eine Erfolgsgeschichte, die bis heute anhält, obwohl sich das Unternehmen heute einem hohen Konkurrenzdruck ausgesetzt sieht.

In der Erfolgsfalle gefangen – was gibt es für einen Ausweg?

Andere Weltmarktführer hatten zur richtigen Zeit die richtige Vision und befinden sich bis heute in der „Erfolgsfalle“, weil sich die Produkte quasi von „selbst verkaufen“. Aber kann man angesichts volatiler Markt- und Wettbewerbsparameter von nachhaltigen Erfolgen ausgehen? Wie kann zum Beispiel Bionade reagieren, wenn die Konkurrenz Präferenzanteile hinzugewinnt?

Die Antwort lautet: Die Hidden Champions sollten nach den Gründen ihres Erfolges suchen ‒ solange sie noch Erfolg haben. Diese Suche sollte systematisch – quasi in einem theoretischen Bezugsrahmen – erfolgen. Dabei muss nur der theoretische Bezugsrahmen von außen geliefert werden, die Recherchearbeit kann im Unternehmen selbst erfolgen, selbst die Implikationen können in der Regel ohne Beratungsbeistand geleistet werden.

In einem ersten Schritt verschafft man sich einen Überblick darüber, welche Produktleistungen durch welche Produktausprägungen erbracht werden. Selbst wenn man davon überzeugt ist, die Wechselwirkungen genau zu kennen, gibt es immer wieder Überraschungen. Danach stellt man sich die Frage, welche Zielgruppen bereits bedient werden und welche man darüber hinaus auch noch bedienen möchte. Wenn man diese Fragen in einem Mitarbeiter-Workshop diskutiert, wird darüber hinaus auch noch das Zusammenhörigkeitsgefühl gestärkt.

Weiter gilt es, die individuellen Ansprüche der unterschiedlichen Zielgruppen zu ergründen und den einzelnen Produktleistungen in einer Anspruchsmatrix gegenüberzustellen. Diese Informationen können am besten im Rahmen einer Gruppendiskussion (in sog. target groups) gewonnen werden. Es empfiehlt sich, mit der Moderation einer Gruppendiskussion einen erfahrenen Moderator zu beauftragen. Das kostet zwar etwas Geld, aber im Vergleich zu aufwändigen Marktforschungstests in Relation zum Aussagegehalt sind Gruppendiskussion nahezu „Schnäppchen“.

Mehr Wissen über Kunden gewinnen

Zudem sollte man sich das Erlebnis gönnen, seine Kunden „in freier Wildbahn“ zu erleben. Im Ergebnis lernt man zum einen seine Kunden besser kennen. Auf der anderen Seite gewinnt man wertvolle Erkenntnisse, welche Bedürfnisse durch vorhandene Produktleistungen in besonderer Weise befriedigt werden ‒ gegebenenfalls Ansatzpunkte für einen Alleinstellungsanspruch.
Man lernt  aber auch „weiße Flecken“ kennen, die als „offene Flanken“ im harten Konkurrenzkampf problematisch werden können. Besser man erkennt sie jetzt und versucht sie zu „entschärfen“, bevor die Konkurrenz sie gegen das betrachtete Unternehmen verwenden könnte.