Mangelnde Kenntnisse über Indien zeigt beispielsweise die Frage: Sprechen Sie indisch? „So gut wie ich europäisch spreche“, ist eine treffende Antwort. In Indien werden viele Sprachen gesprochen. Teils haben sie sehr unterschiedliche Skripturen und bezeugen vielfältige Kulturen. Wie es in Europa etwa Kyrillisch, Griechisch, Lateinisch als Skripturen gibt und die Kulturen, Sitten und Gebräuche durchaus unterschiedlich sind.
Indien hat Zukunft – ganz sicher
Trotzdem, trotz allen Schwierigkeiten, muss Indien heute – und noch mehr in der Zukunft – im globalen Markgeschehen beachtet werden. In etwas mehr als zehn Jahren ist Indien das Land mit der durchschnittlich jüngsten und zahlenmäßig größten Bevölkerung der Welt, mit – trotz allem – demokratischen Strukturen. Indien nicht zu beachten wäre dumm. Aber vertrauensselig zu sein kann fatale Folgen haben. Wer gar einen Vertrauensvorschuss gewährt findet sich leicht am falschen Ende wieder.
Nutzlose Klischees über Indien
Die Massenmedien haben einen gehörigen Anteil Schuld an verzerrten Bild, das Nichtinder von diesem Subkontinent und seiner Bevölkerung haben: Heilige Kühe, komisch anmutende religiöse Rituale, der verschmutzte Ganges und „natürlich“ die mehrheitliche Armut, materiell, bildungsmäßig und sozial. Diese und ähnliche Klischees über Indien werden im Fernsehen ständig aufgewärmt und wiedergekaut.
Indien hat’s drauf – auch technologisch
Indien ist teils Agrarland, könnte auch die Küche der Welt werden, denn nirgends ist das Essen so vielfältig und schmackhaft wie dort, aber es ist eben auch Industrie-Nation. Endlich findet in den letzten Jahren die IT-Branche Indien verdiente Anerkennung und der „Nano“ von Tata macht Schlagzeilen in der Welt. Dabei bauen die Inder seit Jahren Flugzeuge und Helikopter, schießen Satelliten auf Raketen in den Weltraum, beherrschen die Atomtechnologie, haben höchst moderne Krankenhäuser, in denen sich auch Amerikaner und Europäer operieren lassen.
Nicht nur die „0“ beweist Köpfchen
Ein ganz erheblicher Prozentsatz der amerikanischen Akademiker, manche Zahlen weisen fast ein Drittel aus, sind Inder oder indisch-stämmig. Sie gehören zu den Non-Resident-Indiens (NRI) und haben einigen Einfluss. Sehr viele indische Akademiker haben in Indien eine gute universitäre Ausbildung von ihren Eltern bezahlt bekommen. Danach ging’s ab in die USA, teils auch nach Kanada, England oder Australien oder in die Golf-Staaten. In Boom-Zeiten Indiens kommen einige dieser schlauen Köpfe wieder in ihre Heimat zurück, meist noch besser qualifiziert und jedenfalls erfahrener.
Krasse Vielfalt – Chancen für Kenner
Die großen Kontraste Indiens sind spannend, von der Lokalität – oben kalte Schnee-berge, unten heiße Strände – sowie von der Bevölkerung: Hier die superreiche Familie Tata, die sich aber auch sozial stark engagiert, dort die Slumbewohner oder die bitterarme Landbevölkerung, die auch noch von Großkonzernen ausgenutzt und teils in den Freitod getrieben wird. Tatsachen verleugnen hilft nicht, weder so noch so: Allein schon der Binnenmarkt Indien ist so groß, dass eine entsprechende Wirtschaft ausreichen würde, um Indien weitgehend unabhängig zu machen, ist immer wieder in Indien zu hören. Indien ist Investitionen wert, allerdings ist das Kennerinnen und Kennern sowie Könnern vorbehalten, denn unwägbares Gelände hat es hier zuhauf.
Verluste durch Unkenntnis
Viel Geld verloren haben in Indien schon zahlreiche Konzerne, darunter weltbekannte Unternehmen. Mangelndes Verständnis der indischen Strukturen, insbesondere der Sozialstrukturen, ist der Hauptgrund für die finanziellen Verluste in Indien. Denn auf-grund mangelnder sozialer Absicherung entstehen Netzwerke von gegenseitigen Abhängigkeiten, die für Aussenstehende nicht zu erfassen sind.
Indien ist kaum berechenbar
Jämmerlich in einem der furchtbaren indischen Gefängnisse vor die Hunde gegangen sind selbst schon indische Industrielle. Ein besonderer Fall war Rajan Pillai, ehemals Chef des Britannia Konzerns, bekannt als der „biscuit king“. Sieg und Niederlage können in Indien sehr nah und schnell beieinander liegen. Dort geht es völlig anders zu, oft unberechenbar. Manche Italiener haben unter den Europäern noch das beste „Einfühlungsvermögen“ und Verständnis für Indien. Sonja Gandhi ist Italienerin, sie kommt zurecht.
Richtige Insider sind Trumpf
Die besonderen geschäftlichen Umstände in Indien mag man mögen oder nicht – wer in Indien aktiv sein will muss sich damit abfinden. Armut und Arbeitslosigkeit sind dort und anderswo die Hauptbasis für mafiöse Strukturen, ausgeprägte Vetternwirtschaft und extreme Korruption. Das völlig unzureichende Sozialsystem bedingt sowohl die Abhängigkeit von Verwandten und Freunden als auch von der Community, einer Mischung aus Kaste, Sprache sowie lokaler und kultureller Zugehörigkeit. Entsprechend entsteht ein Geflecht aus Beziehungen. Die Auswirkungen auf Geschäfte sind ganz erheblich, völlig undurchschaubar für Außenstehende, meist gänzlich unbemerkt. Ohne die richtigen Insider droht Unbill.
Indien ist beachtlich mit dabei
SAP hat in den vergangenen dreieinhalb Jahren rund 3.000 Arbeitsplätze in Indien (viele in Pune) geschaffen. Und das SAP-Management betont, dass die Arbeitsplätze in Deutschland durch den internationalen Wettbewerbsdruck nicht hätten erhalten werden können, wenn man in Indien nicht aktiv geworden wäre. Genau das ist der Kern: Niemand kommt mehr ohne weiteres um Indien herum, trotz aller Unzulänglichkeiten, wie gesagt. Der aktuelle Boom in Indien kommt nicht von ungefähr. Die Verbindung zum Dollar verzerrt das Bild noch, Indien könnte noch besser dastehen.
Die richtigen Inder als Partner wählen
Mit den Schwierigkeiten Indien kommen die Inder selbst am Besten zurecht, so wie die Sizilianer ihre Mafia selbst am besten verstehen. Die Aufgabe ausländischer Unternehmen und Investoren besteht darin, die geeigneten indischen Managerinnen und Manager zu finden, die beide Kulturen verstehen, die Tugenden und Schwächen der Deutschen sowie der sozial stark abhängigen und verbandelten Inder. Zudem sollten diese indischen Partner auch möglichst Deutsch sowie mehrere indische Sprachen und perfektes Englisch beherrscht. Damit wird der Markt im HR-Bereich zwar eng, doch anderenfalls erhöht sich das Risiko gewaltig, wovon einige deutsche Unternehmen bereits eine Klagelied singen können.
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Jörg Stimpfig (Bangalore)
– Chefredakteur –